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Phosphorlagerstätten sind eine endliche Ressource

Endlich vorkommendes Rohphosphat, auch Phosphaterz genannt, wird in über 30 Ländern aus sedimentären und magmatischen Lagerstätten abgebaut. Rohphosphat ist der Ausgangstoff für P-haltige mineralische Dünger. Die Weltproduktion erfolgt zum Grossteil aus sedimentären Lagerstätten. Etwa 80 % des weltweit abgebauten Rohphosphates wird zur Herstellung von Düngemitteln verwendet, kleinere Anteile für Futtermittel, Reinigungsmittel und andere industrielle Produkte wie beispielsweise Lebensmittelzusätze in Süssgetränken oder Käse. 

Nach aktuellem Wissensstand stehen mittelfristig ausreichend natürliche Phosphatvorkommen zur Verfügung (Van Kauwenbergh et al., 2013). Die Situation um Rohphosphat gibt aber seit 2008 Anlass zur Besorgnis im Hinblick auf das globale Geopotenzial (Ressourcen und Reserven), die Verteilung (Konzentration auf wenige Länder) und den Zugang zu den mineralischen Vorkommen, aber auch bezüglich der Qualität der Reserven. Je nach Herkunft ist das Rohphosphat mehr oder weniger mit Schwermetallen wie Cadmium und Uran belastet. Die Schweiz ist zu 100 % abhängig von P-Importen, um den Bedarf an Düngemitteln in der Landwirtschaft zu decken. 

Potenzial zur Zurückgewinnung

Der Einsatz von P-Düngern in der Schweiz ist seit 1990 um Faktor 4 zurückgegangen. Die Importmenge betrug 2015 nur noch 4114 Tonnen P. Eine Studie des Bundesamtes für Umwelt zu P-Flüssen in der Schweiz stellte fest, dass die Landwirtschaft durch Dünger- und Futtermittelimporte zu 90 % für den P-Import in die Schweiz verantwortlich ist (Binder & Mehr, 2018). Die grössten P-Verluste im gesamten «System Schweiz» sind in den Lagerzunahmen bei der Abfallwirtschaft (Abwasser und Klärschlamm) zu verzeichnen (vgl. nächste Abbildung). Seit dem Ausbringungsverbot von Klärschlamm 2006 wird dieser in Monoverbrennungsanlagen und Kehrrichtverbrennungsanlagen thermisch behandelt und die Asche anschliessend deponiert. In der Zementindustrie wird Klärschlamm verwertet und der Phosphor gelangt mit dem Zement ins Bauwerk Schweiz.

Diese Lager stellen grosse theoretische Substitutions-Potenziale insbesondere für mineralische P-Dünger dar. Die Wiederaufbereitung und Verwendung aus dieser Senke kann zu einer nachhaltigen Sekundärrohstoffgewinnung beitragen und die Schweiz könnte ihren Bedarf an P in der Landwirtschaft selber decken. Den Anstoss dazu gibt die 2016 in Kraft getretene neue Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen (VVEA). Sie verlangt, dass ab 2026 Phosphor aus dem Abwasser, dem Klärschlamm oder aus der Asche von Klärschlamm zurückgewonnen und stofflich verwertet werden muss. Aus den so gewonnenen Nährstoffen kann Recycling-Dünger produziert werden, welche die Vorteile haben, dass primär Phosphat-Vorräte geschont werden, schädlichen Schwermetalle wie Uran und Cadmium durch die importierten Dünger nicht mehr in die Schweiz gelangen und Schweizer Landwirte nicht mehr einer unsicheren Preisentwicklung des globalen Phosphathandels ausgesetzt sind.
 

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Technologien zur Phosphorrückgewinnung

Es gibt bereits eine breite Palette von Prozessverfahren, welche P aus dem Abwasser, dem Klärschlamm oder der Klärschlammasche zurückgewinnen können. In einer Studie von Ernst Basler und Partner im Auftrag des BAFU wurden aus den heute bekannten Technologien diejenigen ausgewählt, welche aufgrund ihres Entwicklungsstands innerhalb der 10-jährigen Übergangsfrist der VVEA für eine Implementierung in der Schweiz in Frage kommen könnten, und evaluiert (Spörri et al., 2017). 

Die in die Auswahl aufgenommenen 20 Technologien wurden hinsichtlich Nachhaltigkeits-Performanz und Integrierbarkeit in den Schweizer Umsetzungskontext bewertet. Die Prozessverfahren können in die Technologiegruppen Kristallisation aus Klärschlamm bzw. Schlammwasser, Säure-Aufschluss von Klärschlamm mit anschliessender Kristallisation, thermochemischer Aufschluss von Klärschlamm während der Verbrennung und Säure-Aufschluss von verbranntem Klärschlamm unterteilt werden.

Die Rückgewinnungsgrade variieren von 15 % bei den aus wässrigen Medien direkt ausfällenden Verfahren bis über 90 % bei thermischen Extraktionsverfahren. Bei Säureaufschlussverfahren sind die Rückgewinnungsgrade stark vom Säureeinsatz abhängig, aber lassen die zusätzliche Verwertung von anderen P-reichen Abfällen (Tier- und Knochenmehl) zu, was den Beitrag zur Schliessung des Schweizer P-Kreislaufs weiter erhöht. Die Technologiegruppen sind stark unterschiedlich kompatibel mit bestehenden Infrastrukturen der Abwasserreinigung und Klärschlammentsorgung sowie den regionalen Gegebenheiten.

Grundsätzlich zeigen die Resultate, dass für die Implementierung der P-Rückgewinnung nach VVEA, Art. 15 innerhalb der 10-jährigen Übergangsfrist verschiedene Technologien für eine Implementierung zur Verfügung stehen.

Akzeptanz von sekundärem Phosphor aus Klärschlamm

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) das Projekt «Mineralische Recyclingdünger» (MinRec) initiiert, das sich mit der Entwicklung rechtlicher Rahmenbedingungen beschäftigt, um die Zulassung von agronomisch sinnvollen Recyclingprodukten als Dünger in Zukunft zu ermöglichen und damit einen weiteren Schritt zur Schliessung des P-Kreislaufs zu leisten.

Mit Blick auf die Akzeptanz von P aus sekundärer Gewinnung in verschiedenen Sparten (Dünger, Nahrungsmittel, chemische Industrie) führte die ETH Zürich unter Dr. Seidl (2016) eine Studie zur Akzeptanz von rezykliertem P bei Landwirten und der Düngerbranche durch. Es zeigten sich Unterschiede bei der potenziellen Akzeptanz zwischen den Landwirtschaftsformen wie etwa Futtermittel-, Getreide- oder Gemüseproduktion. Bei Letzterer sind die Akteure deutlich sensitiver, was die Herkunft des Düngers angeht. Konsens kann darin gesehen werden, dass zum einen die Bedürfnisse des Bodens und zum anderen die Bedürfnisse der Landwirte als zentral angesehen werden. 

Grundsätzlich konnte eine breite Akzeptanz festgestellt werden gegenüber der Idee P in der Schweiz zu rezyklieren. Entscheidende Faktoren sind dabei die Qualität (im Sinne von Reinheit und konstanter Verfügbarkeit) sowie der Preis, der Konkurrenzfähigkeit ermöglichen muss. Für die am Produkt beteiligten Akteure sind ausserdem Anwendbarkeit und Wirksamkeit entscheidend. Das bedeutet, dass gerade Landwirte darauf achten, wie leicht sie den Dünger mit ihren verfügbaren Maschinen ausbringen können und dass rezyklierte P für die Pflanzen gut verfügbar ist. 

Neue Düngerkategorie «Mineralische Recyclingdünger»

Damit die Landwirtschaft die aus der Abwasser- und Klärschlammentsorgung gewonnenen Produkte als mineralische P-Dünger verwenden kann, mussten die Düngerverordnung (DüV), die Düngerbuchverordnung (DüBV) und die Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) angepasst werden. Der rechtliche Rahmen sieht unterschiedliche Regelungen für Mineral- und Recyclingdünger vor. Mineraldünger sind frei handelbar und nicht bewilligungspflichtig solange sie einem Düngertyp gemäss DüBV zugeteilt werden können, wobei Recyclingdünger anmelde- oder bewilligungspflichtig sind (DüV). Grenzwerte für Schwermetalle und organische Belastungen sind in der ChemRRV geregelt. 

Um die Grundlagen zur Bestimmung von Grenzwerten für die neue Düngerkategorie MinRec zu erarbeiten, wurde von Agroscope eine Studie bezüglich der Entwicklung von agronomischen und ökologischen Anforderungen an die Mindestqualität des Düngers erstellt (Weggler et al., 2017). Die Minimalanforderungen an mineralische Recyclingdünger aus der kommunalen Abwasserwirtschaft bezüglich anorganischer Belastungen wurden in der Agroscope-Studie unter zwei verschiedenen Aspekten betrachtet: 

  1. Im ersten Ansatz wurde berechnet, wie hoch der Schadstoffgehalt in mineralischen Recyclingdüngern sein kann, ohne dass sich im Boden eine Gehaltsveränderung ergibt (Bilanzansatz). Dabei wurden als Eintragsgrössen atmosphärische Deposition und durchschnittliche Belastungen durch mineralische Stickstoff- und Kali-Dünger, und als Austragsgrössen Ernteentzüge und Sickerwasserverluste berücksichtigt. 


  2. Der zweite Ansatz beruht auf einer in Kauf genommenen langsamen Anreicherung von Schadstoffen in Böden basierend auf bekannten Schadstoffgehalten der Nationalen Boden-Langzeitbeobachtung (NABO). Dabei wurden Anreicherungszeiten für verschiedene Szenarien aktueller Bodenbelastungen berücksichtigt und Akkumulationszeiten bis zur potenziellen Erreichung der Richtwerte laut Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBo) berechnet (Akkumulationsansatz). 

Für organischen Schadstoffe war diese Vorgehensweise nicht möglich, da wesentliche Stoffflüsse für einen Bilanzierungsansatz nicht zur Verfügung standen. Daher wurden zur Herleitung der Grenzwerte die VBBo-Richtwerte für Böden nach dem Prinzip «Gleiches zu Gleichem» verwendet. Dazu wurden diese Grenzkonzentrationen in mg/kg Trockensubstanz in Grenzrelationen mg/kg P umgerechnet. Ausgehend von den so bestimmten Minimalanforderungen wurden die Grenzwerte gemäss ALARA-Prinzip («as low as reasonably achievable») danach so weit gesenkt, dass sie technisch noch erreichbar sind (Zimmermann 2018). 

Zur Bestimmung der agronomischen Anforderungen wurden in der Agroscope-Studie verschiedene Extraktionsmittel zur Pflanzenverfügbarkeit von P an mineralischen Recyclingdüngern getestet und mit Studien bezüglich der P-Aufnahmefähigkeit durch Pflanzen verglichen. Auf der Basis dieser Analysen zeigte sich, dass eine Doppelbestimmung mittels neutralem Ammoncitrat- und Zitronensäure-Extraktion der beste Ansatz ist, um die Pflanzenverfügbarkeit der verschiedenartigen MinRec-Düngern vergleichbar zu machen.

Phosphorversorgung in 10 Jahren?

Mit diesen Vorgaben kann die Abwasser-, Abfall- und Düngerbrache nun an der Entwicklung von Produkten und Vertriebswegen arbeiten, welche den sekundären P aus aufbereitetem Klärschlamm und Tiermehl zurück in die Landwirtschaft bringt. Es ist davon auszugehen, dass erste Düngerprodukte mit P aus Schweizer Produktion ab 2021 in den Handel gelangen, und so allmählich die Importabhängigkeit sowie die Zufuhr von Cadmium und Uran auf Schweizer Felder deutlich verringern. Vom Potenzial her könnte bereits in 10 Jahren sämtlicher in der Landwirtschaft benötigter P-Dünger aus Schweizer Produktion stammen.

 Literatur

Agrarbericht 2017: Bundesamt für Landwirtschaft, www.2017.agrarbericht.ch

Binder C.R. & Mehr J 2018: Phosphorflüsse in der Schweiz 2015: Stand, Entwicklungen und Treiber. EPF Lausanne. Im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt. 91 S.

Seidl R, Estermann E und Krütli P. 2016: Projekt: Mineralischer Recyclingdünger in der Schweiz – Modul A: Akzeptanz von Phosphor aus Rückgewinnung. ETH Zürich. Im Auftrag des BLW, 51 S.

Spörri A., Erny I., Hermann L und Hermann R. 2017: Beurteilung von Technologien zur Phosphor-Rückgewinnung. Ernst Basler und Partner. Im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt BAFU. 33 S.

Van Kauwenbergh S.J., Stewart M., Mikkelsen R. 2013: World Reserves of Phosphate Rock. A Dynamic and Unfolding Story. Better Crops 2013, 18 – 20.

Weggler K., Richner W., Reiser R., Bucheli T., Bürge D. und Mayer J. 2017: Entwicklung agronomischer und ökologischer Anforderungen an die Mindestqualität von Mineralischen Recyclingdüngern (MinRec). Teil I: Grundlagen. Agroscope. Im Auftrag des BLW, 74 S.

Zimmermann 2018: Herleitung von Grenzwerten für die neue Düngerkategorie «mineralische Recyclingdünger». Bundesamt für Landwirtschaft, 6 S.

Michael Zimmermann, BLW, Fachbereich Agrarumweltsysteme und Nährstoffe, michael.zimmermann@blw.admin.ch

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