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Auch Frauen und Männer in der Schweizer Landwirtschaft sind immer wieder von Umbruchsituationen in Familie und Betrieb betroffen. Sowohl für betriebliche als auch soziale Problemlagen gibt es in den Kantonen eine Vielzahl von landwirtschaftsspezifischen Beratungsangeboten. Leider tendieren Bauernfamilien dazu, Hilfe von aussen erst spät in Anspruch zu nehmen. Fachpersonen des land- und hauswirtschaftlichen sowie des sozialen Beratungssystems werden oft erst involviert, wenn die Probleme bereits sehr komplex sind. Erschwerend kommt dazu, dass derzeit die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen beiden Beratungssystemen noch kaum etabliert sind.

Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, wie hilfesuchende Personen aus der Landwirtschaft zu der für sie richtigen Beratung und Begleitung kommen. Die Antwort des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes (SBLV) lautet: «Durch die Vermittlung von Fachpersonen, welche die besonderen Anforderungen des bäuerlichen und ländlichen Umfeldes kennen». Im Projekt «Hilfe und Unterstützung für Frauen und Männer auf dem Land» hat der SBLV mit finanzieller Unterstützung des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) deshalb eine nationale, elektronische Plattform zur Vermittlung von Fachpersonen aufgebaut.

Die Plattform «SBLV-Vermittlung von Hilfe und Unterstützung für Frauen und Männer auf dem Land» wurde am 2. Oktober 2017 lanciert. Auf der Online-Plattform finden hilfesuchende Frauen und Männer vom Land Adressen von ausgewiesenen Fachpersonen, welche die besonderen Anforderungen des ländlichen Umfeldes kennen. Anfragen werden auch telefonisch unter Telefonnummer 056 441 12 63 oder über die Mail-Adresse hilfe-aide@landfrauen.ch entgegengenommen. Die Mitarbeiterinnen der SBLV-Vermittlung wurden für diese anspruchsvolle Tätigkeit ausgebildet.

Auf der Online-Plattform sind per Mai 2018 37 Portraits von ausgewiesenen Coaches, Mediator/Innen oder Rechtsanwälte/Innen aufgeschaltet, welche über Erfahrungen in der Landwirtschaft und im ländlichen Gebiet verfügen. Bei diesen Fachpersonen erhalten Hilfesuchende die gewünschte Begleitung und Beratung zu branchenüblichen Tarifen. Viele der Fachpersonen sind selber ausgebildete Agronom/Innen und kennen die Landwirtschaft aus eigener Erfahrung sehr gut. Jede Fachperson wurde nach dem SBLV-Anforderungsprofil ausgewählt und im persönlichen Gespräch kennengelernt. Die Fachpersonen stehen mit ihrem Fachwissen den Hilfesuchenden in schwierigen Lebenslagen zur Seite.

Die «SBLV-Vermittlung von Hilfe und Unterstützung» dient zudem der Vernetzung bereits bestehender Angebote und Institutionen, wie die kantonalen landwirtschaftlichen und sozialen Beratungen sowie die kantonalen und nationalen Hilfsangebote wie «Offeni Tür» oder das Bäuerliche Sorgentelefon. Auf der Online-Plattformsind diese Angebote deshalb ebenfalls verlinkt.

Hilfe zur Selbsthilfe

Im Bewusstsein der gestiegenen Anforderungen an die Landwirtschaft konnte der SBLV mit der neuen Plattform auf nationaler Ebene ein Angebot für hilfesuchende Personen schaffen. Der Ansatz des SBLV ist präventiv. Das neue Angebot soll Hilfe zur Selbsthilfe bieten und einen Weg aus Schwierigkeiten aufzeigen, bevor komplexe Krisensituationen entstehen. Der SBLV will die Bevölkerung vom ländlichen Gebiet motivieren, sich frühzeitig um anstehende Probleme zu kümmern und mit Unterstützung Lösungen zu suchen. Was in anderen Wirtschaftskreisen schon längere Zeit üblich ist, soll auch in der Landwirtschaft vermehrt angewendet werden: sich vor Investitionen, Betriebsumstellungen, bei Familienproblemen oder in anderen schwierigen Situationen beraten oder begleiten zu lassen. Der SBLV will sensibilisieren, dass sich Investitionen zur Verbesserung der persönlichen Situation, des Wohlbefindens, der Partnerschaft, des Zusammenlebens und -arbeitens der Generationen lohnt und sich langfristig auszahlen wird. Für einen gut funktionierenden Familienbetrieb braucht es auch ein gesundes und aufgeschlossenes Familienverhältnis. Nur gut informiert und lösungsorientiert können die Herausforderungen von heute gemeistert werden. Dafür lohnt es sich, Hilfe und Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Beratung, Coaching oder Mediation?

In der Landwirtschaft und im Kleingewerbe sind Arbeit und Privatleben stark miteinander verknüpft. Dadurch können herausfordernde Lebenssituationen entstehen. Gerade wenn durch hohe Arbeitsbelastung, mangelnde Liquidität, knappen Wohnraum, Pflege von Angehörigen oder sonstigen Herausforderungen die Zeit fehlt, Gespräche zu führen, kann es zu Krisen kommen. In schwierigen Lebenslagen wie Ehescheidung, Ehe- oder Familienproblemen, Erbstreitigkeiten, Betriebsschwierigkeiten oder Umstellungen, Generationen- oder Nachbarschaftskonflikten, werden oft Coachings oder Mediationen empfohlen, damit Fragen und Bedürfnisse der Beteiligten genau geklärt werden können.

Damit Zeit und Geld, welche in ein Beratungsangebot investiert werden, zum Erfolg führen, lohnt es sich zu prüfen, welches Beratungsformat für die jeweilige Situation am besten geeignet ist. Auf der Online Plattform empfiehlt der SBLV Fachpersonen in sechs verschiedenen Regionen der Schweiz. 

Erkenntnisse und Fazit seit der Lancierung der Plattform 

Die Nachfrage in den ersten Monaten zeigt, dass die Plattform «SBLV-Vermittlung von Hilfe und Unterstützung» einem Bedürfnis entspricht. Das neue Angebot wird von der Zielgruppe sehr gut aufgenommen. Frauen wie Männer möchten sich Unterstützung holen und sind froh um die SBLV-Empfehlungen von ausgewiesenen Fachpersonen. Seit der Lancierung ging pro Woche im Durchschnitt ca. eine telefonische Anfrage von Frauen und Männern ein. Die Anzahl Zugriffe auf die Plattform ist seit der Lancierung sprunghaft gestiegen; Hilfesuchende erkundigen sich auf der Homepage nach Fachpersonen in allen Regionen der Schweiz. Die Hauptanliegen der Hilfesuchenden betrafen die Themen Generationen- und Eheprobleme, Ehescheidungen, Hofübergabe und damit verbundene Fragen. Erschöpfung und Überlastung sind ebenfalls Gründe für die Suche nach Unterstützung. 

Im Weiteren erhält der SBLV die Rückmeldung, dass Fachpersonen und Berater von anderen Institutionen die Adressen der empfohlenen Fachpersonen auf der SBLV-Plattform einholen. Folglich wird die Plattform dem Ziel der Förderung der gegenseitigen Vernetzung der bestehenden Beratungssysteme und Angebote gerecht. 

Weitere Ziele der Plattform

Der SBLV hat zum Ziel, weitere Fachpersonen für die Plattform zu gewinnen. Es gibt Regionen, in denen die Plattform noch eine ungenügende Auswahl anbietet. Ferner möchte der SBLV regelmässig über das Angebot berichten und weitere Sensibilisierungsarbeit leisten. Zudem arbeitet der SBLV daran, dass die Plattform einen guten Bekanntheitsgrad erreicht, damit auch soziale Dienste vom Angebot Kenntnis haben und den Frauen und Männern vom Land die richtige Unterstützung zuweisen können. Um den Hilfesuchenden eine professionelle Vermittlung zu gewährleisten, werden die Mitglieder der Geschäftsstelle für die telefonische Vermittlung regelmässig geschult. 

Kathrin Bieri, Co-Geschäftsführerin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands SBLV, bieri@landfrauen.ch

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