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Eine jüngst entdeckte neue Generation von molekularen Werkzeugen, die DNA-Scheren («Nukleasen»), versprechen eine Revolution in der Humanmedizin, aber auch in der Pflanzen- oder Tierzucht. Das BLW verfolgt aufmerksam die Fortschritte dieser Biotechnologien, die nachhaltige Auswirkungen auf die Zukunft der Landwirtschaft haben könnten.

Hintergrund

Vor bald fünf Jahren kamen neue molekulare Werkzeuge auf, die eine punktuelle und zielgenaue Veränderung des Genoms (der DNA) ermöglichen: Man spricht von «Genome Editing». Das bekannteste dieser Werkzeuge, das «CRISPR/Cas9»-Verfahren, basiert auf Bakterien und ermöglicht es erstmals überhaupt, das Genom dort zu verändern, wo man es möchte (für weitere Details siehe Bericht des BAFU, 2012). Der Einsatz dieser Werkzeuge in der Pflanzen- und Tierzucht wirft eine grundlegende Frage auf: Sind die Produkte, die mittels dieser neuen Technologien entstehen, rechtlich gesehen GVO?

Die Produkte der NPZV: Fallstudien

Zu diesen Techniken gehören verschiedene, sehr unterschiedliche Verfahren. Sie entwickeln sich rasant weiter, was ihre Reglementierung schwierig macht. Heute ist der rechtliche Status der Produkte des Genome Editing sowohl in der Schweiz als auch im Ausland unklar. Hierzu gilt anzumerken, dass die bestehenden GVO, die einer präzisen Definition entsprechen, unter das Gentechnikgesetz (GTG, SR 814.91) fallen. Doch die «historische» Unterscheidung zwischen GVO-Sorten auf der einen Seite und konventionellen Sorten auf der anderen Seite scheint zu verschwimmen: Wir befinden uns heute in einer «Grauzone», die es näher zu bestimmen gilt.

Angesichts der Komplexität dieser Situation hat das BLW zusammen mit dem BAFU ein Konsultationsverfahren eingeleitet, damit sich die verschiedenen Akteure, die vom Aufkommen von Produkten dieser neuen Technologien in der Schweiz potenziell betroffenen sein könnten, äussern können. Ziel ist es, die Stakeholder über die Dringlichkeit einer Debatte zu diesem Thema zu informieren und die verschiedenen Meinungen und Wahrnehmungen angesichts des wahrscheinlichen Aufkommens von Produkten dieser Verfahren einzuholen. Anhand der Ergebnisse dieser Konsultation, die Ende 2017 stattfand, wird die Verwaltung mögliche Reglementierungsvorschläge skizzieren können.

Die nachfolgende Tabelle zeigt Beispiele von Produkten, die es bereits gibt oder die sich im Forschungs-/Prototypenstadium befinden, und illustriert die Komplexität der Situation:
 

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Perspektiven für die Schweizer Landwirtschaft

Bisher wurde in der Schweiz noch kein Gesuch für das Inverkehrbringen von Sorten, die mittels neuer Technologien entwickelt wurden, eingereicht. In den USA hingegen werden seit fünf Jahren immer mehr Sorten, die mit diesen Technologien produziert werden, zugelassen. Dort gelten diese Sorten meist nicht als GVO.

Trotz ihres revolutionären Potenzials werden diese neuen Techniken des Genome Editing (oder von NPZV allgemein) den Paradigmenwechsel der Landwirtschaft, hin zu nachhaltigen Schweizer Agrarsystemen, nachvollziehen müssen (vgl. Bericht des Bundesrats, 2016).

In Zukunft werden wohl immer komplexere Mischungen aus Technologien und Digitalisierung in die Zucht einfliessen, was die Rückverfolgbarkeit umso schwieriger macht. So könnten beispielsweise komplexe Probleme (Erträge, Apomixis usw.) mittels mehrfacher gleichzeitiger Genome Editings lösbar werden. In Zukunft ist nicht auszuschliessen, dass Eigenschaften entdeckt und schliesslich gezüchtet werden, die Veränderungen bezüglich der Nachhaltigkeit der Agrarökosysteme herbeiführen – und steht dann vielleicht eine neue Agrarrevolution bevor?

Dr. Sylvain Aubry, BLW, Fachbereich Genetische Ressourcen und Technologien, sylvain.aubry@blw.admin.ch

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