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Die Erhaltung der Biodiversität ist für die Lebensfähigkeit der Menschen von zentraler Bedeutung. Dank der biologischen Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt und der Ökosysteme profitieren wir von zahlreichen Ökosystemleistungen wie (unter anderem) der Bestäubung, der Wasser- und Klimaregulierung, dem Schutz vor Erosion, Trockenheit, Überschwemmungen und Waldbränden, von Inputs und der Regulierung des Nährstoffkreislaufs sowie der Regulierung von Krankheiten und Schädlingen. Sollten diese Leistungen verschwinden und müssten durch menschliche Tätigkeiten ersetzt werden, würde dies die Gesellschaft sehr teuer zu stehen kommen. Abgesehen davon, könnten gewisse Leistungen nicht ersetzt werden, was wiederum die Lebensfähigkeit der Menschen gefährden würde.

Biodiversität bedeutet die Variabilität unter lebenden Organismen und der Ökosysteme, zu denen sie gehören. Diversität manifestiert sich daher auf verschiedenen Ebenen: innerhalb einer Art (Genetik und Epigenetik), zwischen den Arten (verschiedene Spezies) und innerhalb und zwischen Ökosystemen.

Die Agrobiodiversität (oder Biodiversität für Ernährung und Landwirtschaft) umfasst alle Aspekte der Biodiversität, von der die Ernährung und Lebensqualität der Menschheit abhängig ist. Dieser Begriff umfasst unter anderem Kulturpflanzen, Bäume und Forstpflanzen (einschliesslich ihrer Wildformen), Nutztiere, Wildtiere im Umfeld des landwirtschaftlichen Systems, Fische und andere Wasserlebewesen sowie Organismen, die in der Lebensmittelindustrie zur Verarbeitung von Lebensmitteln eingesetzt werden (z. B. Fermentation).

Zur Agrobiodiversität gehört natürlich auch die Vielfalt der Bodenlebewesen und der wirbellosen Tiere wie der Bestäuber, die für die landwirtschaftliche Produktion von zentraler Bedeutung sind, sowie die Vielfalt der Agrarökosysteme als Ganzes.

Die Ernährungssysteme haben grossen Einfluss auf den Zustand der Biodiversität (auf lokaler Ebene und weltweit). Manche Systeme können sie beeinträchtigen, andere wiederum können sie fördern. Die nachhaltige Landwirtschaft trägt dazu bei, die Biodiversität und die Ökosysteme samt ihren Leistungen zu erhalten und damit die Nahrungsmittel- und Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Der heutige Ansatz, die sogenannte «Agrarökologie», trägt beispielsweise allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Soziales, Ökonomie) Rechnung und umfasst zehn Aspekte, die von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) definiert wurden, für ein systemisches/ganzheitliches und nachhaltiges Vorgehen. Einer der zehn Aspekte ist die Vielfalt, ein zentraler Faktor im aktuellen Umfeld des Klimawandels.

Durch Domestizierung und Selektion genetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft entstanden im Laufe der Jahrtausende neue Kulturpflanzensorten und Tierrassen. Dies hat eine Anpassung an verschiedenste lokale und oft herausfordernde Umweltbedingungen erlaubt und somit die Ernährung und das Überleben der Menschen gesichert. Die Selektion ermöglicht heute eine bessere Anpassung an neue Gegebenheiten wie das sich wandelnde Klima, die Ressourcenknappheit und Veränderungen im Konsumverhalten der Menschen.

Angesichts der zahlreichen umweltrelevanten Herausforderungen wie dem Klimawandel und der Bodendegradation wird die Agrobiodiversität auch in Zukunft in einer sich wandelnden Landwirtschaft nichts an Aktualität einbüssen.

Wenn die Vielfalt der genetischen Ressourcen weder in situ (im Feld bzw. in der landwirtschaftlichen Praxis) noch ex situ (z. B. in Samenbanken) erhalten und vom Markt bzw. der Landwirtschaft gefördert wird, laufen diese Ressourcen Gefahr, für immer zu verschwinden. Verschiedene internationale und nationale Programme haben sich daher der Anerkennung, dem Schutz, der Erhaltung und der Förderung der nachhaltigen Nutzung einer grösseren Bandbreite der genetischen Vielfalt verschrieben.

Zentrale Instrumente sind in diesem Zusammenhang: (1) der Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, (2) die Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity, CBD) und (3) die Globalen Aktionspläne für pflanzen- bzw. tiergenetische Ressourcen der Kommission für genetische Ressourcen der FAO.

(1) Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft

Der internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (IV-PGREL) trat am 29. Juni 2004 in Kraft. Heute sind 144 Staaten Vertragsparteien. Die Schweiz ratifizierte den Vertrag am 22. November 2004. Der Vertrag steht im Einklang mit dem Übereinkommen über biologische Vielfalt und soll die Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (PGREL) sowie die gerechte Aufteilung der daraus entstehenden Vorteile sichern. Der IV-PGREL ist von entscheidender Bedeutung im Hinblick auf die Erhaltung der Vielfalt der pflanzengenetischen Ressourcen, auf die unsere Gesellschaft angewiesen ist, angesichts der Herausforderungen bezüglich der globalen Ernährungssicherheit und des Klimawandels.

Der Zugang zu den PGREL und der gerechte Vorteilsausgleich aus deren Nutzung werden im Rahmen eines multilateralen Systems geregelt, das im Vertrag festgelegt ist. Die Transaktionen zwischen Lieferanten und Nutzern von Ressourcen erfolgen über standardisierte Materialübertragungsvereinbarungen (SMTA). Für Staaten, die den IV-PGREL ratifiziert haben, sind dies zwingende Voraussetzungen für den Zugang zu Pflanzenmaterial für die Züchtung neuer Sorten. Jedes Jahr werden mehrere tausend SMTA getroffen, grösstenteils von den Zentren der Beratungsgruppe für internationale Agrarforschung. In der Schweiz wurden seit 2007 von der nationalen Genbank über 140 SMTA zu mehr als 1900 Akzessionen ausgestellt.

Nachdem das Lenkungsorgan an seiner 7. Sitzung 2017 beschlossen hatte, die Revision des multilateralen Systems weiterzuführen, stand 2017 ganz im Zeichen dieser Arbeiten. Im Zentrum stand wiederum der von Schweizer Kreisen, die von der Verbesserung des multilateralen Systems des Vertrags betroffen sind, vorgebrachte Vorschlag zu einem sogenannten Subskriptionsmodell. Dieses soll einerseits die Vorteilsausgleichung vorhersehbarer machen und andererseits für private Nutzer attraktiv genug sein, damit diese neben den öffentlichen Genbanken ebenfalls das System nutzen werden. Die Schweiz präsentierte zudem einen Vorschlag zur Erweiterung des Geltungsbereiches des multilateralen Systems.

Die für die Revision zuständige Arbeitsgruppe traf sich zu zwei Sitzungen und konnte alle Elemente identifizieren, die zu einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen notwendig sind. Dazu gehören die Revision des SMTA, die Verbesserung des multilateralen Systems (inkl. Erweiterung des Geltungsbereichs des multilateralen Systems, das derzeit 64 Arten umfasst) und seiner Finanzierungsstrategie sowie eine verstärkte Bereitschaft der Mitgliedstaaten, finanzielle Beiträge zugunsten des multilateralen Systems zu sprechen. Die Schweiz organisierte eine informelle Gesprächsrunde zwischen den wichtigen Akteuren aller in der Arbeitsgruppe vertretenen Kreise, um die Schnürung des Verhandlungspaketes voranzutreiben.

Die 8. Sitzung des Lenkungsorgans wird Ende November 2019 stattfinden. Bis dahin werden die Bemühungen weitergehen, nach einer von allen Vertragsstaaten getragenen Lösung zur Revision des multilateralen Systems und dessen Finanzierungsstrategie zu suchen und einen Konsens zur Frage der «Digital Sequence Information» zu finden. Die Schweiz wird weiterhin zu diesen Bemühungen beitragen.  

(2) Die Landwirtschaft im internationalen Übereinkommen über die biologische Vielfalt 

Die Zusammenarbeit zwischen den internationalen Akteuren im Bereich Biodiversität und Landwirtschaft hat sich verstärkt: Die 13. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention (CBD), welche im Dezember 2016 in Cancún stattgefunden hat, rief auf zur Förderung des systematischen Einbezugs von Landwirtschaft, Tourismus, Fischerei und Forstwirtschaft in der CBD. Zudem hat sie angeregt, Überlegungen und Massnahmen zur Förderung der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Biodiversität in die Agrarpolitiken der Vertragsstaaten zu integrieren. Die 13. Konferenz der CBD hat zudem an die FAO appelliert, auch in ihrer normativen und programmatischen Arbeit die Biodiversität als Querschnittsthema weiter zu stärken. Die 40. Konferenz der FAO ist diesem Aufruf im Juli 2017 nachgekommen, nachdem auch die Kommission für genetische Ressourcen der FAO dazu angehalten hatte. Sie setzte eine Multi-Stakeholder-Plattform ein für die Integration der biologischen Vielfalt im gesamten Agrarsektor. Ein erstes Gespräch dieser Plattform fand Ende Mai 2018 statt mit der Teilnahme von FAO, CBD, Regierungen und regierungsunabhängigen Akteuren.

(3) Die genetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft in der FAO-Kommission für genetischen Ressourcen

1983 verabschiedete die FAO die «Internationale Verpflichtung über pflanzengenetische Ressourcen». Gestützt auf die FAO-Satzung wurde daraufhin im selben Jahr die Kommission für genetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft eingesetzt. Ihr ursprünglicher Zweck war die Behandlung von Fragen rund um pflanzengenetische Ressourcen. Das Mandat der Kommission wurde an der FAO-Konferenz von 1995 schliesslich erweitert, um alle Aspekte der biologischen Vielfalt mit Bedeutung für Ernährung und Landwirtschaft abzudecken.

Die Kommission ist das einzige ständige Gremium, in welche Regierungen Fragen zur Biodiversität in den Bereichen Ernährung und Landwirtschaft besprechen und verhandeln können. Sie soll einen internationalen politischen Konsens finden bezüglich der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung genetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft sowie der gerechten Aufteilung der daraus entstehenden Vorteile.

Seit ihrer Einsetzung hat die Kommission weltweit Evaluationen des Zustandes genetischer Ressourcen von Wald, Pflanzen und Tieren überwacht. Ausserdem hat sie wichtige internationale Instrumente wie den Internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft ausgehandelt.

Alwin Kopse, BLW, Fachbereich Internationales, Nachhaltige Entwicklung, Ernährungssysteme, alwin.kopse@blw.admin.ch

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