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Evaluation der Effizienz und Effektivität des Instruments Zollkontingente

Im Rahmen der regulären Evaluation der agrarpolitischen Massnahmen basierend auf Artikel 185 des Landwirtschaftsgesetzes (LwG) hat das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) erstmals eine Studie zum Grenzschutz in Auftrag gegeben. Genauer gesagt, wurden die Effektivität und die Effizienz von Zollkontingenten (ZK) untersucht. Die Einführung von ZK war eine Folge der WTO-Uruguayrunde. Die entsprechenden internationalen Verpflichtungen erforderten von den WTO-Mitgliedstaaten die Gewährung eines minimalen Marktzugangs zu tiefen Zollansätzen pro Produktegruppe (Kontingentszollansatz, KZA) sowie der Möglichkeit, zu einem höheren Ausserkontingentszollansatz (AKZA) ohne Mengenbeschränkung zu importieren. Gegenwärtig basiert das System auf 28 bei der WTO notifizierten ZK für den Import von lebenden Tieren sowie von tierischen und pflanzlichen Produkten, mit jeweils unterschiedlichen Verteilungsmethoden der ZK-Anteile. Aufgrund der sehr hohen Zollbelastungen auf Einfuhren ausserhalb des Kontingents wurden Importe fast ausschliesslich innerhalb der in den ZK vorgesehenen Mengen getätigt. 

Die Studie umfasste verschiedene ZK (Fleisch: Rindfleisch, Schweinefleisch; pflanzliche Produkte: Kartoffeln, Tomaten, Äpfel, Erdbeeren) und untersuchte die Effektivität und Effizienz (der Begriff der Effektivität bezieht sich auf den Grad der Zielerreichung einer Politikmassnahme, während der Begriff der Effizienz das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen im Fall der Zielerreichung beschreibt) der ZK in Bezug auf die folgenden Ziele:

  1. Stützung der inländischen Produktion;

  2. Stützung der Einkommen der landwirtschaftlichen Produzenten;

  3. Stabilisierung der Rahmenbedingungen für die landwirtschaftliche Produktion;

  4. Sicherstellung einer angemessenen Versorgung des inländischen Marktes.

Die Methodik der Studie basiert sowohl auf quantitativen Analysen als auch auf qualitativen Ansätzen. 

Die Evaluation zeigt, dass das Instrument teilweise effektiv ist. Die Verwaltungsmethode ist so ausgestaltet, dass sie sich präzise an die Bedürfnisse der inländischen Produktion anpasst und diese nur mit Importen ergänzt, wenn sie die Nachfrage auf dem Schweizer Markt nicht mehr deckt. Es werden so höhere Preise auf Stufe Produktion, aber insbesondere auch auf den nachgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette erzielt. Die Differenzen zwischen den inländischen und ausländischen Preisen fallen in der Regel tiefer aus als die Höhe der AKZA. Die Analyse zeigt auch, dass die Preise in der Schweiz tendenziell stabiler sind als im Ausland. Es besteht aber auch ein gewisses Risiko, dass die führenden Importeure das Angebot begrenzen und der Markt somit suboptimal versorgt wird.

Demgegenüber zeigt die Analyse, dass die Zollkontingente nicht effizient sind. Gemäss der zu diesem Thema publizierten Wirtschaftsliteratur ist der Verlust für die Konsumenten höher als der Gewinn bei den landwirtschaftlichen Produzenten und dem Staatsbudget. Des Weiteren wurde beobachtet, dass die nachgelagerten Stufen – insbesondere der Detailhandel – für die Mehrzahl der untersuchten Produkte gegenüber den Produzenten einen Vorteil darin haben, die Renten der ZK und ihre Verwaltungsmethode zu sichern. Dies ist auf den unvollständigen Wettbewerb zurückzuführen, der auf den Zwischenstufen der Wertschöpfungskette herrscht. Zudem fördern die ZK nicht kompetitive Marktstrukturen.

Die Autoren der Studie kommen auch zum Schluss, dass das System der ZK äusserst komplex ist. Die Verwaltungsmethode der ZK stösst auf Grenzen; die Tatsache, dass die ZK-Teilmengen nur auf Antrag der betroffenen Akteure freigegeben werden, ist in Bezug auf die Effizienz des Systems als Schwachpunkt zu bewerten.Die dominante Position gewisser Marktakteure kann dadurch noch verstärkt werden.

Zusammenfassend zeigen die Resultate der Evaluation, dass ZK als wichtigstes Instrument des heutigen Grenzschutzsystems zwar teilweise effektiv, aber nicht effizient sind. Das System führt wegen der hohen Preise zu Nachteilen für die Konsumenten. Die landwirtschaftlichen Produzenten können dabei nur teilweise von den hohen Preisen profitieren. Zudem begünstigt das System nicht kompetitive Marktstrukturen. 

Evaluation der Effektivität des Grenzschutzes

Die Schweiz verfügt über einen ausgeprägten Grenzschutz für Agrarprodukte und Lebensmittel. Nun wurde erstmals eine Evaluation der Relevanz des Grenzschutzes und sein Beitrag zur Erfüllung der Ziele von Artikel 104 der Bundesverfassung untersucht und mit einer unabhängigen Einschätzung ergänzt.

Die Evaluation, die von der OECD im Auftrag des BLW durchgeführt wurde, zeigt, dass – obwohl das Grenzschutzsystem zwar teilweise effektiv ist – hohe Kosten und grosse Ineffizienzen damit verbunden sind. Der Grenzschutz trägt nur zu einem geringen Mass zur Bereitstellung der von der Schweizer Bevölkerung gewünschten Ziele und öffentlichen Güter bei. Dies liegt daran, dass eine Stützung der Landwirtschaft mithilfe des Grenzschutzes nicht an die Lieferung der gesellschaftlich nachgefragten Resultate und öffentlichen Güter wie beispielsweise verbesserte ökologische Leistungen und Tierwohl geknüpft ist. Zudem zielt er nicht auf die Tätigkeit oder den Produktionsfaktor ab, welche(r) am stärksten mit diesen Resultaten oder öffentlichen Gütern verbunden ist (z. B. mit Bewirtschaftungssystemen und -methoden, die natürliche Ressourcen bewahren oder zu einem höheren Tierwohl führen). Schliesslich ist der Grenzschutz nicht gezielt auf Regionen gerichtet, die einen gesellschaftlichen Wert über die Leistungen der Agrarproduktion hinaus besitzen.

Der Grenzschutz kann somit nur partiell dazu beitragen, die Ziele der Bundesverfassung zu erfüllen. Das heutige Grenzschutzsystem trägt zwar zu stabilen und hohen inländischen Preisen bei, es führt jedoch zu Ineffizienzen, Fehlanreizen und Rentenbildungen in der Wertschöpfungskette und somit zu erheblichen Kosten für die Schweizer Volkswirtschaft: Die Kosten sowohl für den einheimische Endverbraucher, als auch für die Akteure der einzelnen Handelsstufen steigen, die Auswahl an Waren schrumpft, der wirtschaftliche Wohlstand sinkt und das Wachstum in weniger geschützten, aber leistungsfähigeren Sektoren, auch in der Landwirtschaft, wird gehemmt.

Die Autoren haben verschiedene Alternativen zum Grenzschutz untersucht und diskutiert, darunter solche, die auf ein verbessertes Risikomanagement abzielen.

Ergänzt wurde die Studie der OECD durch einen Kommentar von Prof. Thomas Widmer (Universität Zürich). Darin wird die Evaluation der OECD dargestellt und aus der Perspektive der Politikevaluation gewürdigt sowie agrarpolitisch eingeordnet. Abgeschlossen wird der Kommentar mit einigen weiterführenden Überlegungen. 

Der Kommentar kommt zur Schlussfolgerung, dass die Studie der OECD einen dezidiert ökonomischen Zugang zur Fragestellung wählt und deshalb die Effizienz des Grenzschutzes nicht mit einem Vergleich der Regulierungskosten mit den Regulierungsnutzen (also durch die Regulierung ausgelöste Kosten respektive Nutzen) bewertet. Auch wenn die Evaluation der OECD keine Zweifel offenlässt, dass das bestehende Grenzschutzsystem die bestehenden Regulierungsziele weder zielgenau noch effizient zu erreichen vermag, betont der Kommentar verschiedene Faktoren, die für die Reformbereitschaft des Systems in der Schweiz von Bedeutung sind – darunter die Entwicklung der bäuerlichen Einkommen.

Abschliessend stellt der Autor fest, dass angesichts der vorliegenden Evidenz bezüglich des Grenzschutzes unbestritten Handlungsbedarf besteht. Mit Fokus auf die Schweizer Agrarwirtschaft zeichnen sich zwei Herausforderungen ab:

  1. Die durch das Zollregime generierten Renten fallen am falschen Ort an: Es profitieren weder die Produzenten materiell noch wird deren Verhalten in erwünschter Weise beeinflusst;

  2. Es bestehen erhebliche Ineffizienzen, welche das System bei einer volkswirtschaftlichen Betrachtungsweise sehr teuer macht.

Der Autor schliesst, indem er auf die zu erwartenden Entwicklungen aufmerksam macht: Von Veränderungen der Marktbedingungen mit ähnlichem Ausmass sei auch für die Zukunft auszugehen. Die Landwirtschaft wird wohl noch deutlich kapitalintensiver werden, während die Bedeutung der Lohnkosten aufgrund einer weiteren Reduktion der Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Arbeitskräfte abnehmen wird. Derartige Veränderungen werden sich durch einen Grenzschutz kaum aufhalten lassen.

Literatur
 
Loi A., Esposti R., Gentile M. et al. (2016), Policy evaluation of tariff rate quotas. Report mandated by the Swiss federal Office of Agriculture. Areté srl, Bologna.
Internetseite des BLW: https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/international/agrarmaerkte-und-agrarhandel/studien-grenzschutz.html

Gray, E., et al. (2017), «Evaluation of the relevance of border protection for agriculture in Switzerland», OECD Food, Agriculture and Fisheries Papers, No. 109, OECD Publishing, Paris,
https://doi.org/10.1787/6e3dc493-en.

Widmer, T. (2017), Die Zukunft des landwirtschaftlichen Grenzschutzes. Analyse im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW. Universität Zürich, Institut für Politikwissenschaft.
Internetseite des BLW: https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/international/agrarmaerkte-und-agrarhandel/studien-grenzschutz.html

Yvan Decreux, BLW, Fachbereich Handelsbeziehungen, yvan.decreux@blw.admin.ch
Tim Kränzlein, BLW, Fachbereich Handelsbeziehungen, Tim.Kraenzlein@blw.admin.ch

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